VERGLEICH EURO-TRUCK-TEST Fast wirkt es so, als hätte sich die Konkurrenz noch mal rüsten wollen, bevor Scania den letzten Schleier von seiner neuen Lkw-Baureihe zog. Die soll, trotz unumstrittener Ähnlichkeit zum Vorgänger, alles besser können und der Konkurrenz in Sachen Wirtschaftlichkeit und Komfort das Fürchten lehren. Doch bestätigt sich dieses Versprechen in der Praxis? Schließlich wehrte sich der Wettbewerb zuletzt mit mehr oder weniger großen Facelifts gegen den Angriff aus Södertälje und wirbt ebenfalls mit Super lativen in Sachen Wirtschaftlichkeit. Klärung soll der Euro-Truck-Test bringen, für den wir Vertreter der in Europa populärsten Fahrzeugklasse einluden: 4x2-Sattelzugmaschine mit mittelgroßer Fernverkehrskabine und Motorleistungen zwischen 450 und 480 PS. In dieses Raster passen der Iveco Stralis XP 480 HiWay, der MAN TGX 18.460 XLX und der Mercedes Actros 1845 StreamSpace, die den neuen Scania R 450 Highline herausfordern. Optisch am erkennbarsten durch die neu gestaltete Chromspange im Kühlergrill und der nun mattschwarz lackierten Front ist das jüngste Update beim Iveco Stralis, der im gleichen Zug auch den Namenszusatz XP (steht für „extra Power“) erhielt. Wichtiger sind allerdings die inneren Werte und auch hier legten die Entwickler in Ulm, Turin und Madrid kräftig nach. Ein neues Kolbenprofil und neue Kolbenringe sorgen für geringere innermotorische Reibungen im bekannten Cursor-11-Reihensechszylinder. Ebenfalls zur von Iveco versprochenen Verbrauchssenkung von bis zu acht Prozent beitragen sollen intelligent gesteuerte Nebenaggregate wie Luftpresser oder Lenkpumpe, die nur arbeiten, wenn sie benötigt werden. Stutzen werden technisch versierte Leser darüber, dass Iveco – bislang vehementer Verfech- ter von Only-SCR, um Euro 6 zu erfüllen – die Abgasrückführung reanimierte. Wobei die Iveco-Verantwortlichen in diesem Zusammenhang großen Wert auf den Zusatz „smart“ legen. Bei „Smart-EGR“ wird nämlich lediglich eine geringe Rate der Abgase dem Motor erneut zugeführt, wodurch zusammen mit einem vorverlegten Einspritzbeginn die Temperatur im Zylinder sinkt, was eine effizientere Verbrennung und damit einen geringeren Verbrauch zur Folge haben soll. Und zu guter Letzt kombinierte man das Ganze mit dem ZF-Traxon-Getriebe – bei Iveco Hi-Tronix genannt – das im Vergleich zur bisherigen AS-Tronic Gewicht sparen und die Schaltstufen schneller wechseln soll. ETWAS SCANIA FÄHRT AB SOFORT AUCH IM MAN TGX MIT Neues in Sachen Getriebe gibt es auch bei MAN. Bei den 4x2-Sattelzugmaschinen sortiert seit Neuestem das Opticruise-Getriebe von der Konzernschwester Scania die 460 PS beziehungsweise die 2300 Newtonmeter Drehmoment des D26Sechszylinders. Wobei die MAN-Leute nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass zwar die Hardware aus Schweden stamme, die Getriebeabstimmung aber zu 100 Prozent in München erfolgt sei. Dem Fahrer darf´s egal sein und er spürt subjektiv auch keinen Unterschied zum Vormodell mit ZF-Tipmatic. Lediglich beim Blick aufs Display wird er stutzen, denn da ist nun vollmundig von 14 Gängen die Rede. Wir nennen es lieber 12 + 2 (Crawler)-Fahrstufen. Weitere MAN-„Waffen“, die man dem TGX mitgab: 20 PS und 200 Newtonmeter Mehrleistung zum Vorgänger, ein verbessertes Motormanagement samt reibungsärmeren Kolben und Ringen sowie ein neu entwickelter Turbolader, der schneller auf Touren kommt. Auch die Mo- torkühlung wurde effizienter, wovon nun die vergrößerten Lufteinlässe in der leicht überar- beiteten TGX-Front zeugen. Alles zusammen fasst MAN unter der Bezeichnung „Efficient- Line-3“ zusammen. Lohn der Mühen nach Her- stellerangabe: bis zu 6,35 Prozent weniger Kraft- stoffverbrauch. Klar, dass sich auch der Marktführer nicht auf seinen bisherigen Erfolgen ausruhen durfte. Auch wenn beim Mercedes Actros optisch in kei- ner Weise erkennbar – nur echten Fans werden die aerodynamisch optimierten Stoßfängerkan- ten auffallen – soll auch der Daimler nun bis zu sechs Prozent asketischer mit dem Diesel umge- hen. Dafür nahm man sich ebenfalls das Ein- spritzsystem sowie die Abgasrückführung vor und verringerte die Reibungskräfte im Motor. Zusätzlich soll ein neuer, in Eigenregie gefertig- ter Turbolader zu mehr Mumm bei niedrigen Drehzahlen beitragen. Noch mal verbessert wur- de, dank neuem Getriebeöl mit geringerer Vis- kosität, auch der Wirkungsgrad des Powershift- 3-Getriebes, das zudem ein paar Kilo abspeckte. Nicht neu, aber beim Fahren umso bemerk- barer ist allerdings ein weiteres Detail, das der 12,8 Liter große OM471 in der 449-PS-Einstel- lung bietet: Top-Torque. Dahinter steht eine Drehmomenterhöhung um 200 Newtonmeter im zwölften Gang. Weshalb der Stern dann 2400 Newtonmeter gegen die Steigungen der Testrun- de stemmt. So überwindet der Actros trotz der 25 Tonnen unseres Krone-Testaufliegers man- chen Berg noch in der höchsten Fahrstufe, wo die Wettbewerber längst im 11. Gang werkeln. Auch wenn dabei mitunter durchaus Mitleid mit dem Reihensechszylinder aufkommt, der dann mit gerade noch 950 Touren bergwärts „blub- bert“ und eher an einen Schiffdiesel, als an ein Lkw-Aggregat erinnert. ▶ NEUES TESTPROZEDRE BEIM TRUCKER Mehr Praxisbezug durch weniger Testgewicht Mit dem neuen Testjahr haben wir unser Test-Prozedere überarbeitet. Ab sofort gibt es zwei Wertungen. Die Transport-Aufgabe für alle Testfahrzeuge mit weniger als 500 PS Leistung besteht jetzt in der Beförderung unseres neuen Krone-Testaufliegers. Aufgrund der Tatsache, dass die wenigsten Fahrzeuge in dieser Klasse tatsächlich ständig mit 40 Ton- nen Gesamtgewicht unterwegs sind, ist dieser Trailer auf 25 Tonnen ausgeladen, wodurch das Gesamtgewicht des Testzuges bei knapp 32 Tonnen liegt. Für Zugmaschinen mit mehr als 500 PS halten wir dagegen unseren auf 32 Tonnen ausgeladenen Fliegl-Curtainsider vor. Womit der Testzug dann die in Deutschland erlaubten 40 Tonnen wiegt. Schließlich werden die stärker motorisierten Trucks in den meisten Fällen für gewichtigere Aufgaben angeschafft. Weiterhin mit von der Partie bei jedem Supertest: Der redaktionseigene Mercedes Actros 1845 mit Schmitz-Cargobull-Curtainsider (38 Tonnen Gesamtgwicht), der als Referenzfahrzeug für Vergleichbarkeit der Testkandidaten sorgt. Wir testen mit 32 und 40 Tonnen 22 Trucker 2/2017
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Der Scania R 450 ist der Beste unter sehr Guten im Trucker-Test.